Remapping Palestine – Stellungnahme zur Kritik, veröffentlicht in der Wiener Zeitung, Printausgabe 25.08.2011, Seite 8, online-Ausgabe 24.08.2011.


Im Zuge der Vorbereitung und Ankündigung unserer Veranstaltung „Remapping Palestine“ vom 19. -21. Oktober 2011 im Albert-Schweitzer-Haus haben wir sehr viele positive Rückmeldungen von unterschiedlicher Seite erhalten, neben palästinensischer Zustimmung vor allem auch von christlicher Seite und von jüdischen Stimmen.

Zu einem Thema wie dem Nahostkonflikt gibt es selbstverständlich auch unterschiedliche Meinungen, wie sie beispielsweise gestern von VertreterInnen der Österreichisch-Israelischen Gemeinschaft geäußert wurden (Wiener Zeitung, Printausgabe 25.08.2011, Seite 8, online: www.wienerzeitung.at).

Da gerade so ein aufgeladenes Thema wie der israelisch-palästinensische Konflikt von einer lebendigen und kontroversiellen Diskussion befruchtet werden kann, freuen wir uns über die kritischen Anmerkungen, die uns ermöglichen, unsere eigene Auseinandersetzung kritisch zur Diskussion zu stellen. Wir möchten deshalb gerade auch die Sprecherin der Österreichisch-Israelisch Gemeinschaft, Frau Shaked, herzlich dazu einladen, die von ihr vorgebrachten Sorgen gemeinsam zu diskutieren.

Auf einige dieser, am 24. August 2011 in der Wiener Zeitung dargestellten Kritikpunkte möchten wir kurz eingehen und noch einmal unsere Sichtweise zur Veranstaltung und zu unserer politischen Arbeit darlegen.

Der Einwand, die Konferenz (Re)mapping Palestine sei ein „einseitiges Symposium, das keine einzige israelische Stimme zulasse“, können wir in dieser Form leider nicht nachvollziehen.

Wiewohl der inhaltliche Schwerpunkt der Konferenz, die Rekonstruktion einer palästinensischen Geschichte vor 1948 ist, wurde dieses Vorhaben gerade von israelischen WissenschafterInnen und AktivistInnen inspiriert, die seit den 80er Jahren durch ihre mutigen Auseinandersetzungen in Israel selbst aufzeigten, dass die Anerkennung der jeweiligen ‚anderen‘ Seite ein essentieller Schritt für eine friedliche Lösung des Konfliktes ist.

Dies war für uns auch Motivation, die israelische NGO „Zochrot“ (www.zochrot.org) nach Wien einzuladen, die mit ihrer zivilgesellschaftlichen Arbeit Brücken zwischen israelischer und palästinensischer Geschichte baut. Dass die israelische NGO „Zochrot“ sich entschieden hat, Herrn Umar al-Ghubari, einen arabischen Israeli als Delegierten zu entsendet, verdeutlicht beispielhaft, wie in manchen israelischen NGOs Zusammenarbeit zwischen Juden und Arabern zu einer Selbstverständlichkeit zählt.

Insofern ist es nicht richtig, dass an unserer Veranstaltung keine israelischen Meinungen vertreten sind. Wie in jeder Gesellschaft gibt es auch in Israel unterschiedliche Positionen; und auch die Position der Friedensbewegung, die das Unrecht an den PalästinenserInnen anerkennt, existiert. Dieser Teil ist auch sehr gerne bereit, sich gemeinsam mit palästinensischen Stimmen an einen Tisch zu setzen. Gleiches gilt für Professor Ilan Pappé.

Dem Artikel „Israel-Kritiker sorgt für Aufregung“ von Simon Pötschko (Wiener Zeitung, 24.8.2011) entnehmen wir, dass Pappé zwar als „renommierter Historiker“ bekannt sei, ihm allerdings ein „unseriöser und einseitiger Ruf“ anhafte.

Wir teilen die Einschätzung, dass es sich bei Professor Ilan Pappé um einen renommierten Wissenschaftler handelt, da dieser eine renommierte Ausbildung an israelischen Universitäten durchlaufen hat. Wie seinem Curriculum zu entnehmen ist, studierte er an der Hebrew University in Jerusalem und promovierte an der University of Oxford. Zur Zeit des Osloer Friedensprozesses gründete und leitete er das Academic Institute for Peace in Givat Haviva in Israel. Von 1984 bis 2006 war er Senior Lecturer am Institut für Middle Eastern History und am Institut für Political Science an der Universität Haifa. Gegenwärtig ist er Direktor des European Center for Palestine Studies an der Universität Exeter, einer der führenden Universitäten im europäischen Raum.

Für uns ist daher leider nicht nachvollziehbar, weshalb Frau Shaked die wissenschaftliche Expertise von Professor Pappé in Zweifel zieht. Leider konnten wir aus der zitierten Stellungnahme nicht entnehmen, weshalb es sich bei Professor Pappé um einen „zweifelhaften“ Wissenschaftler handeln sollte und freuen uns, wenn seine KritikerInnen uns ihre Sicht auf inhaltlicher Ebene darlegen.

Ilan Pappé, dessen Eltern in den 30er Jahren aus dem nationalsozialistischen Deutschland fliehen mussten und nirgendwo sonst Unterschlupf finden konnten als in Israel, meinte im Zusammenhang mit den, im deutschsprachigem Raum gegenüber seiner Person angedrohten öffentlichen Sprecherverbote : „Mein Vater wurde als deutscher Jude in ähnlicher Weise in den frühen 30er Jahren zum Schweigen gebracht, und es ist traurig, Zeuge der Wiederkehr der gleichen Zensur im Jahre 2009 zu sein“.

Gerade auch als BürgerInnen eines Landes mit einer nationalsozialistischen Vergangenheit, in dem Menschen aufgrund ihrer religiösen und sogenannten „ethnischen“ Zugehörigkeit zu Abertausenden verfolgt, gefoltert und ermordet wurden, sehen wir es als unsere antirassistische Pflicht, der in den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts vollzogenen Verbrechen und der Politik des Sprechverbotes und der Zensur, eine demokratische Politik des offenen Dialoges entgegen zu setzen.

Mit großer Sorge mussten wir der ÖIG-Stellungnahme entnehmen, dass der Titel unseres Symposiums „Remapping Palestine“ mit „Neubelagerung Palästinas" fehlinterpretiert wurde. Den Titel dieser Veranstaltung wählten wir in Anlehnung an Edward Saids Bemühungen, israelische und palästinensische WissenschafterInnen für eine Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte des Landes zu gewinnen (1).

Wenn man einen herkömmlichen Atlas zur Hand nimmt, wird man feststellen, dass dort die palästinensischen Gebiete von 1967 nicht eingezeichnet sind. (Re)mapping Palestine stellt vor diesem Hintergrund einen Versuch dar, den Staatsformierungsprozess Palästinas auf die politische Agenda zu setzen, da unserer Einschätzung nach keine friedliche Lösung an einer solchen Bemühung vorbeiführen kann.

Die Kritik, die an unserem Symposium auf der Website der „Scholars for Peace in the Middle East“ ins Treffen geführt wird (www.spme.net/cgi-bin/articles.cgi?ID=8332), in der unser Symposium als Teil der israelischen Protestbewegung im Zeltlager auf dem Rothschild-Boulevard erwähnt wird, kann uns daher nur optimistisch stimmen.

Ganz im Gegenteil zu Chava Gurions Einschätzung, es handle sich dabei um „naive Linke“, empfinden wir diese Protestbewegung als einen wichtigen Schritt, um Brücken zwischen israelischen und palästinensischen BürgerInnen Israels zu schlagen. Dies auch gerade deshalb, weil es zeigt, dass Israel und die israelische Zivilgesellschaft aus europäischer Perspektive eben nicht als einheitliches, monolithisches Konstrukt gesehen werden darf, sondern immer mehr Stimmen, gerade auch in Israel, zu Wort kommen, die eine kritische Auseinandersetzung mit der Besatzungspolitik der Regierung fordern.

Wir möchten dennoch das Selbstverständliche noch einmal betonen:
Als antirassistischer Verein werden wir immer und aufs Energischste gegen jegliche Form des Antisemitismus vorgehen. Wer unser Symposium als Plattform für rechtsextremes und/oder antisemitisches, islamophobes, fremdenfeindliches, rassistisches und sexistisches Gedankengut missbrauchen will, hat bei unserer Veranstaltung nichts zu finden und zu suchen.

Selbstverständlich achten wir auch bei der Auswahl unserer ReferentInnen darauf, dass diese dies ebenfalls tun. Es gibt hier in Europa, in Israel und überall auf der Welt sehr viele jüdische Menschen, die gleiche und ähnliche Positionen vertreten, wie in unserer Veranstaltung angeführt, und wir freuen uns über Unterstützung seitens der Kritischen Jüdischen Stimme (Österreich), deren VertreterInnen die Veranstaltung ausgesendet und ihre Teilnahme angekündigt haben.

Natürlich wird in unserer Veranstaltung dabei auch die Vorgehensweise der israelischen Verantwortlichen kritisiert, sowohl was die Besatzung angeht, was den Siedlungsbau im Westjordanland angeht, was den Umgang mit der arabischen Minderheit angeht, und auch was die vorherrschende historisch-wissenschaftliche main-stream Position in Israel ist, die leider sehr oft die Besatzung des Westjordanlandes legitimiert und die arabischen Erfahrungen negiert. Wichtig ist uns, und deshalb machen wir die Konferenz, auch die palästinensische Seite zu Wort kommen zu lassen.
Gerade im Zuge eines zukünftigen Friedensprozesses und der Errichtung eines palästinensischen Staates neben dem israelischen, halten wir auch die Anerkennung der palästinensischen Geschichte für notwendig.

Wie dies vor sich gehen könnte, welche Perspektiven dabei angedacht werden können, usw., genau das soll Teil unserer Konferenz sein. Insofern hoffen wir natürlich auch, dass die Österreichisch Israelische Gesellschaft, zu der wir bisher noch keinen Kontakt hatten, in einen Dialog mit uns tritt. Wir würden uns auch sehr darüber freuen, wenn sie sich an unserer Konferenz beteiligen würden.

Weiters wird die Veranstaltung von unterschiedlichen Körperschaften unterstützt. Die MA 7 fördert die Veranstaltung (als Kulturabteilung das Konzert und die Tanzgruppe), die Anna Lindh-Stiftung Österreich, Pax Christi Österreich, die Gesellschaft für österreichisch Arabische Beziehungen, das Koordinationsforum zur Unterstützung Palästinas, treten als politische UnterstützerInnen auf und haben uns ihre Logos als Form der Unterstützung auf den Veröffentlichungen gesendet.

Selbstverständlich unterstützt auch das Albert-Schweitzer-Haus unserer Veranstaltung durch Vermietung der Veranstaltungsräumlichkeiten.

Wir denken also, dass die Veranstaltung breit abgedeckt ist, und wie gesagt, auf großes Interesse an Nahost-Politik Interessierte stößt. Wir wissen dass es gerade beim Thema Nahostkonflikt immer wieder zu Diskussionen im Vorfeld kommt. Wir denken aber, dass es in Österreich möglich sein soll und auf keinen Fall „unnötig“ ist, diese Diskussionen zu führen. Die Lage in den palästinensischen Gebieten und Israel ist angespannt und schwierig genug, und jeder Versuch eines Gespräches sollte unterstützt werden.

Mehr zur Veranstaltung und zum Verein findet sich unter www.dar-al-janub.net. Auf unserer Homepage haben wir vor einiger Zeit auch schon mal Stellung bezogen zu verschiedenen Kritikpunkten und Vorwürfen gegen unseren Verein, diese Stellungnahme kann ebenfalls sehr gerne eingesehen werden.

Wir möchten Sie auf diesem Wege auch gerne herzlich zur Konferenz einladen, damit sich jeder und jede Interessierte sich selbst ein Bild machen kann bzw. dort auch unterschiedliche Ansichten zu vertreten.

Das Dar al Janub – Zentrum Interkultureller Begegnung in der Kleistgasse 8/3, 1030 Wien öffnet ab 09.09.2011 nach der zweimonatigen Sommerpause wieder wie gewohnt jeden Freitag ab 18.30 Uhr und lädt herzlich zur Diskussion ein. Wir sind außerdem telefonisch unter 0676 7893413 und selbstverständlich auch per E-Mail erreichbar.

Wien, 25.08.2011

Verein für antirassistische und friedenspolitische Initiative (Dar al Janub)

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Fußnote:
(1) Edward Said, „Palestinians under Siege: putting Palestine on the map”, London Review of Books, Vol. 22 No. 24, 14 December 2000, (http://www.lrb.co.uk/v22/n24/edward-said/palestinians-under-siege).

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