Offener Brief an Pater Christoph Matyssek fscb, Rektor des Afro-Asiatischen Instituts

Vom 7. bis 9. November 2014 fand im Afroasiatischen Institut Wien unsere Abschlusskonferenz zum zweijährigen EZA-Projekt „We are Nablus“ (finanziert von der OFID) unter dem Titel “Reclaiming Palestine: Empowering the Marginalized – The Social and Economical Reconstruction of Palestinian Society under Foreign Occupation” statt. 
ReferentInnen waren neben Projektbeteiligten der Partner-NGO SCCS wie Abdull Jabar Khalili von der An-Najah National University, Palestine, Adnan Odeh (SCCS, Projektleiter) und Muzan Shoqa aus Nablus auch die Politikwissenschaftlerin Helga Baumgarten. Für den Konferenzort fragten wir beim Afroasiatischen Institut (AAI, Türkenstraße 3, 1090 Wien) an, ob die Räumlichkeiten für die Konferenz gemietet werden könnten. Der Vorstand des AAI schlug nach eingehenden Diskussionen vor, die Konferenz als Kooperationsveranstaltung mit dem AAI durchzuführen. Es erscheint uns wichtig, diesen Umstand explizit anzuführen, da wir unsere nunmehrigen KooperationspartnerInnen in mehreren Treffen auf den politischen Druck hinwiesen, der bei Palästina-Veranstaltungen generell und bei Veranstaltungen des Dar al Janubs im Besonderen aufgebaut wird. Uns war in diesen Gesprächen wichtig, auch auf die immer wiederkehrenden Vorwürfe und Unterstellungen hinzuweisen, die im Vorfeld einer jeden Konferenz des Dar al Janubs gegen unseren Verein erhoben werden. 
Nichtsdestotrotz blieb der Vorstand des AAI bei seinem Vorschlag, die Konferenz gemeinsam als Kooperationsveranstaltung durchzuführen. Wenige Tage vor Beginn der Konferenz wandten sich Vertreter der IKG per Mail an den Vorstand des AAI, an die Erzdiözese Wien und andere nahestehende Institutionen, und forderten mit zunehmender Schärfe das AAI auf, sich von der Kooperation zu distanzieren. Der aufschlussreiche Mailverkehr, der über Wochen ging, liegt uns vor. Aufgrund der ungeklärten rechtlichen Lage wollen wir diesen Mailverkehr jedoch ohne die Zustimmung der beteiligten Parteien (IKG, AAI und Erzdiözese) an dieser Stelle nicht dokumentieren. In einem letzten Mail forderte ein Vertreter der IKG den Vorstand des AAI unmissverständlich auf, dass eine Distanzierung für eine weitere interreligiöse Zusammenarbeit nötig ist: “Entweder Dialog mit der jüdischen Gemeinde oder ‚Reclaiming Palestine‘-Veranstaltungen“. In der IKG-Zeitschrift „Die Gemeinde Insider“, Dezember 2014, Seite 19 veröffentlichte die IKG schließlich die Distanzierung des AAI-Rektors.
Offener Brief an Pater Christoph Matyssek fscb

Es gibt eine Menge Leute auf der Welt, die in der Hölle sind, weil sie zu sehr vom Urteil anderer abhängen. (Jean-Paul Sartre)

Man kann sogar die Vergangenheit ändern. Historiker beweisen es immer wieder. (Jean-Paul Sartre)

Lieber Pater Christoph Matyssek fscb, verwundert mussten wir Ihre rasche Wende betreffend unserer gemeinsamen Kooperationsveranstaltung „Reclaiming Palestine“ vom November 2014 zur Kenntnis nehmen. Ganz besonders hat uns der von Ihnen gewählte Weg der Diffamierung bestürzt, da wir lange vor und während der gemeinsamen Veranstaltung mit Ihnen und dem Afro-Asiatischen Institut (AAI) eine sehr direkte, intensive und offene Diskussionsebene hatten. Nun aber mussten wir aus dem Journal der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) entnehmen, dass Ihre Meinung über unseren Verein und die mit Ihnen abgesprochene Veranstaltung eine Kehrtwende genommen hat. Es enttäuscht uns natürlich, dass Sie diese Vorgehensweise gewählt haben, statt den Weg der offenen, direkten Debatte zu suchen, zumal Sie als Vertreter und Rektor des AAI für den interreligiösen und interkulturellen Dialog eintreten.

Da Sie sich sichtlich dazu entschlossen haben dem Ultimatum der IKG nachzugeben, die damit drohte den interreligiösen Dialog abzubrechen, sofern sich das AAI nicht nachträglich von der Kooperationsveranstaltung distanziere, müssen wir dazu übergehen, die Korrespondenz zwischen IKG, Erzdiözese Wien, dem AAI und uns zu veröffentlichen. Ihrem Schreiben an die IKG, veröffentlicht in „Die Gemeinde Insider“, Dezember 2014, Seite 19, müssen wir in zwei entscheidenden Punkten widersprechen.
Wir können den politischen Druck, dem Sie und Ihr Institut ausgesetzt waren und sind, sehr gut nachvollziehen. Ebenso verstehen wir, dass Sie als Rektor des AAI eine wichtige Verantwortung tragen. Aus diesem Grund haben wir vor mehr als einem dreiviertel Jahr das Gespräch mit Ihnen und dem Vorstand des AAI gesucht und haben zunächst nur um die Vermietung der Räumlichkeiten für unsere Projekt-Abschluss-Veranstaltung angesucht. Der Vorschlag zu einer Kooperationsveranstaltung kam seitens des AAI, worüber wir uns selbstverständlich sehr gefreut hatten. Dennoch haben wir in vielen Gesprächen mit Ihnen in aller Offenheit den möglichen Druck von, der israelischen Regierungspolitik nahestehenden Pressure-Groups diskutiert und Ihnen umfassend die politische Ausrichtung unseres Vereins sowie bisherige Diffamierungsversuche gegen unseren Verein dargelegt. Nicht zuletzt aufgrund dieses offenen Gesprächsklimas haben Sie bzw. das AAI sich entschieden, die Veranstaltung nicht nur als Kooperationspartner zu unterstützen, sondern auch eine Eröffnungsrede zu halten und die eingeladenen Gäste aus Palästina kennenzulernen. Die an Rufmord grenzenden Unterstellungen, die Herr Fastenbauer und die IKG beharrlich betreiben, haben wir ebenso im Vorfeld unserer Kooperation offen mit Ihnen diskutiert, wie wir Ihnen auch unsere gesamte zehnjährige Geschichte unseres Vereins und die Kontroversen um unsere bisherigen Veranstaltungen dargelegt haben.
Es liegt auf der Hand, dass eine Kooperation nicht ungeteilt gleiche Standpunkte voraussetzt. Wir betrachteten die unterschiedlichen Standpunkte zwischen dem AAI und Dar al Janub jedoch nicht als etwas Trennendes, sondern viel mehr als Bereicherung und gegenseitig befruchtend. Niemand hätte in unserer Kooperation vorbehaltlos gleiche Perspektiven und Ansichten gefordert. Kritische Zusammenarbeit ist immer zugleich auch fruchtbare Anregung, die eigene Arbeit zu hinterfragen und gegebenenfalls zu berichtigen. In Ihrem befangenen Brief an Herrn Fastenbauer ändern Sie kurzerhand den tatsächlichen Verlauf der Kontroverse und verändern die Geschichte unserer Kooperation. Ihr Schweigen zu den haltlosen Vorwürfen des Herrn Fastenbauers, ja Ihre geradezu zustimmenden Formulierungen sind ein trauriges Beispiel für die oftmals mutlose Haltung der katholischen Kirche. Immer wieder gab und gibt es kirchliche Vertreter, die mit ihrer mutigen Haltung dem Druck standhalten und sogar einschneidende oder gar lebensbedrohliche Risiken in Kauf nahmen, um auf Missstände und Unrecht hinzuweisen und neue Impulse setzten. Der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu und der irische Priester Hugh O’Flaherty sind nur zwei leuchtende Beispiele für den Mut katholischer Würdenträger, die ihren Überzeugungen treu blieben.
Unwidersprochen lassen Sie auch die Unterstellung stehen, unsere Veranstaltung hätte als provokative, geschmacklose Reminiszenz ausgerechnet an der Pogromnacht am 9. November stattgefunden. Sie wissen dabei ganz genau, dass dieses Datum von mehreren unserer Terminvorschläge vom AAI als einzig möglicher Zeitraum festgelegt wurde. Sie erwähnen in Ihrem Antwortschreiben nicht mit einem einzigen Wort die Entgleisungen, feindseligen und verleumderischen E-Mails von Herrn Schnarch, die voller verbaler Gewalt auch gegen Sie und Ihr Institut verfasst wurden. Für irrelevant halten Sie in Ihrer Antwort offenbar auch, dass Rabbiner Schlomo Hofmeister in seinem E-Mail an uns nicht nur die Existenz der Besatzungs- und Siedlergewalt gegen die PalästinenserInnen, sondern die Existenz der PalästinenserInnen an sich leugnete. Auch scheint es Sie nicht zu verstören, dass Herr Fastenbauer von der IKG erneut allen jüdischen DissidentInnen, alle regierungs- und staatskritischen Jüdinnen und Juden als „Alibijuden“ diffamiert und für sich beansprucht zu definieren, wer ein „richtiger Jude“ ist. Für unsere Freundinnen und Freunde die in Israel leben und die von Herrn Fastenbauer als „Alibijuden“ bezeichnet werden, hat dies oftmals unmittelbare Auswirkungen. Denn ihr antirassistisches Engagement wird nicht nur mit staatlicher Repression bedacht, sondern sie werden auch durch den rassistischen Grundkonsens in großen Teilen der israelischen Gesellschaft physisch bedroht.
Mit Ihrem auf den ersten Blick weitgehend passiv, beschwichtigend und defensiv wirkenden Statement ist Ihre subtile Argumentation beinahe gewalttätiger, als die schriftlichen Entgleisungen des Herrn Schnarch. Sie wissen, dass wir als ein Verein, der die marginalisierten Positionen im israelisch-palästinensischen Konflikt vertritt, kein Medium zur Verteidigung haben, keine breite Öffentlichkeit erreichen und somit viel leichter zum Schweigen gebracht werden können, als eine mutige Vorgehensweise Ihrerseits verschwiegen hätte werden können. Es ist bedauerlich, dass Sie der Gewalt gewichen sind und wenig Mut bewiesen haben.
Wir wissen aber, dass eines Tages, wenn die Apartheid in Israel endet und die Verbrechen des israelischen Staates international geächtet werden, auch Institutionen wie das AAI Desmond Tutu ein Vorbild nennen werden. Bis dahin ist noch ein langer Weg.

Freundliche Grüße
Vorstandsteam des Dar al Janub
IKG-Zeitschrift „Die Gemeinde Insider“, Dezember 2014, Seite 19

Details zur Konferenz

Details zum zweijährigen EZA-Projekt “We are Nablus”, dessen Abschlusskonferenz “Reclaiming Palestine” war

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