Bericht über die Diskussionsveranstaltung anlässlich des Internationalen Tages gegen die Folter: “Das weiße Haus und seine schwarzen Keller – Systematische Folter und Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des ‚US-Krieges gegen den Terror’ und neokolonialer Besatzung“
Der Diskussionsabend zum Thema Folter und US-Krieg war Teil einer Veranstaltungsreihe bei der am Donnerstag, den 30 Juni im Dar al-Janub der Dokumentarfilm “Massaker in Masar” von Jamie Doran gezeigt wurde. Dieser Film ist ein Beleg für die US-Kriegsverbrechen in Afghanistan, denen keinerlei rechtliche Konsequenzen folgten. Frau Dr. Yvonne Schmidt, die erste Referentin an diesem Abend, ging in ihrem fundierten und äußerst interessanten Vortrag einleitend auf die internationalen Entführungen von Bürgern arabischer und muslimischer Herkunft ein. Als eines der Beispiele erwähnte sie den Fall des in Schweden lebenden Migranten Muhammad al-Zery, der von der schwedischen Polizei verhaftet und mit einem Privatflugzeug der CIA nach Ägypten ausgewiesen, dort zwei Jahre festgehalten und gefoltert wurde. Sie wies darauf hin, dass diesen, vom CIA genutzten Privatflugzeugen in ganz Europa Überflugsrechte gewährt werden. Frau Dr. Schmidt fügte hinzu, dass der Fall al-Zerys bei weitem kein Einzelfall sei und Experten bereits von mehr als hundert solcher Fälle sprechen würden. So führte sie auch den Fall vom Australier Mamdouh Habib an, der von US-Agenten aus Pakistan entführt, von dort nach Afghanistan und schließlich nach Ägypten gebracht und zuletzt in Guantanamo interniert worden sei, sowie den Fall von Abu Omar. Abu Omar wurde im Feburar 2003 auf dem Weg von seiner Wohnung zu einer zehn Minuten entfernten Moschee entführt. Ein Augenzeuge sah, wie er auf der Straße von drei Männern angehalten wurde und wie an dieser Stelle ein Lieferwagen auf den Gehsteig fuhr. Zu den Haftbefehlen gegen 13 CIA-Agenten meinte Schmidt, dass diese zwar erlassen, die betreffenden CIA-Agenten jedoch bis dato nicht gefangen genommen worden seien. Dr. Schmidt führte aus, dass seit dem 11. September 2001 der CIA an “Gefangenenverschiebungen” im internationalen Kontext mitgewirkt hätte und diese Praktik als Auftragsfolter zu bezeichnen sei. Die Gefangenen würden jedoch nicht nur in Drittländern gefoltert, so Schmidt, sondern auch in eigens eingerichteten Offshore-Gefängnissen, von denen es neben Guantanamo noch etliche andere gäbe. Die USA stünde seit über Hundert Jahren in einer Praxis, außerhalb des eigenen Zugriffsbereiches Leute zu fassen, um sie in den USA vor Gericht zu bringen, wie beispielsweise im Falle des ehemaligen Präsidenten von Panama. Im weiteren führte sie eine Reihe von für die USA verbindlichen Gesetzeserlässen gegen die Anwendung von Folter an, wie beispielsweise den Artikel 3 der allgemeinen Bestimmung der Genfer Konvention aus dem Jahr 1949. Abschließend schilderte sie die jüngste Klage vor deutschen Gerichten gegen den amerikanischen Verteidigungsminister Rumsfeld wegen Beteiligung an Folterungen in Abu Ghraib. Schmidt führte aus, dass diese Klage mit der Begründung abgewiesen wurde, Deutschland sei nicht auf der Basis dieses internationalen Strafgesetzbuches zuständig, weil das amerikanische Justizwesen diese Sache selbst bewältige. Sie fügte jedoch hinzu, dass mittlerweile deutsche Professoren ein Kurzgutachten verfasst hätten, laut dem jeder Staat berechtigt sei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Völkermord nach dem Weltrechtsprinzip zu verfolgen. Und schließlich, so Schmidt, sei Folter ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.Herr Dr. Leo Gabriel vom Ludwig Boltzmann-Institutes für zeitgenössische Lateinamerikaforschung schilderte, basierend auf seinen Erfahrungen als Kriegsberichtserstatter in Lateinamerika von 1978 bis in die späten 90er Jahre, in eindrücklicher Art und Weise die Kontinuität des US-Krieges im internationalen Kontext. Laut Dr. Gabriel, sei es interessant, dass viele Akteure, die damals federführend gewesen seien, heute die Koordination von mehreren Geheimdiensten über hätten, wie beispielsweise John Negroponte, der sowohl in Lateinamerika als auch im Irak aktiv war. Dr. Gabriel fügte hinzu, dass der einzige Unterschied zwischen damals und heute, lediglich der sei, dass man sich heute weniger Mühe gäbe die Dinge zu verdecken und zu verstecken. Gabriel erwähnte eines der ersten Interviews von Negroponte im Irak, in dem dieser, so Gabriel, fast nostalgisch meinte: “Wir müssen, die Option die wir damals in El-Salvador hatten, heute im Irak und im Nahen Osten vorantreiben, die so genannte Salvador Option.” Bei der Salvador Option handelt es sich um von den USA eingesetzten Todesschwadronen, welche die Bevölkerung terrorisieren um den Widerstand auszulöschen. Diese Option solle nun auch im Irak eingesetzt werden. Dr. Gabriel erwähnte auch das vor kurzem in Istanbul abgehaltene Tribunal, an dem er mitgearbeitet habe. Dort habe man Zeugenaussagen von Betroffenen gesammelt, die selbst gefoltert wurden, von Krankenhausmitarbeitern, die Zeugen von Verschleppungen und Entführungen wurden. Dr. Leo Gabriel ging im folgenden auf die geografische Spannweite der US-Politik ein. So erzählte er, dass beispielsweise in den letzten Wochen an der kolumbianisch-venezolanischen Grenze, drei Bauernführer von amerikanischen Geheimdiensten in Zusammenarbeit mit einigen Verbündeten ermorden worden seien. In seinem Vortrag erwähnte er, dass hohe lateinamerikanische Repräsentanten, wie beispielsweise der guatemalische Präsident derart unter Druck gesetzt und eingeschüchtert wurden, um damit die gesamte Bevölkerung einzuschüchtern. Abschließend erwähnte Dr. Leo Gabriel, dass nicht nur die Anhänger Bushs Befürworter des Krieges gegen den Irak seien, sondern auch Anhänger aus dem Lager von Kerry. Deshalb solle man versuchen, so Gabriel, einen Keil innerhalb der USA zu treiben, um die passive Unterstützung am US-Krieg zu unterbinden. Man solle darum einen Punkt finden in dem man das System auseinandernehmen könne um jene zur Verantwortung ziehen zu können, die schuld an den bisher begangenen Verbrechen seien, wenn das Gebäude einmal auseinanderfallen würde. Man müsse eine Strategie gegen die Folter in einen politischen Gesamtrahmen stellen, denn die Vereinten Nationen und das internationale Recht seien zu schwach um damit Gerechtigkeit durchsetzen zu können.Frau Dr. Andrea Plaschke – Expertin für Kommunikation, Mediation Supervision und Traumatherapie – berichtete ausgehend von ihren Erfahrungen in ihrer Arbeit als Psychologin im Gazastreifen über das Thema Folter. Dr. Plaschke meinte, dass kein einziger Mann, denn sie in Gaza kennen gelernt habe, nicht Opfer von Folterungen geworden sei. Dr. Plaschke erklärte die Unterteilung zwischen primären, sekundären und tertiärer Traumatisierung (das ist der Ausdruck von dem man fachlich Korrekt bei Folterereignissen spricht), wobei primäre Traumatisierung die am eigenen Leibe erfahre Form der Folter, die sekundäre jene Form der Traumatisierung die man an anderen beobachtet habe, oder als emotional beteiligte Person miterleben muss und die tertiäre Traumatisierung jene Form sei von der all jene betroffen sind die den Opfern von Folterungen, als Mediziner, als Therapeuten, als Sozialarbeiter… helfen würden und von seinen Erfahrungen erführen. Psychische Folter/Verletzung durch die Folter, hinterlässt ebenso wie medizinische Verletzungen Narben, so Dr. Plaschke. Das Trauma, so Dr. Plaschke, sei eine völlig normale Reaktion auf ein abnormales Ereignis. Aufgrund von Berichten gefolterter Personen gehe, laut Dr. Plaschke, der Mensch in seinem Fühlen aus seinem Körper heraus, um die Formen der psychischen und physischen Folter überleben zu können. Während der Folter werde die Verbindung und Übertragung zwischen rechter und linker Hirnhälfte unterbunden; damit werde die gefühlsmäßige Reaktion auf schlimme Ereignisse unterbrochen. Diese gesunde Abwehr schützt während des traumatischen Ereignisses, doch genau sie ist es, die das nachfolgende Leiden bedingt.
Frau Oberdorfer vom Verein für antirassistische und friedenspolitische Initiative sprach über die historischen Parallelen des Systems der Folter am Beispiel des Algerienkrieges und des Irakkrieges. Einleitend ging sie auf die Argumentationen ein die in Frankreich damals herangezogen worden seien um die Folterungen an der algerischen Bevölkerung zu legitimieren. Oftmals wäre die Verpflichtung zur Zivilisierung und Demokratisierung der arabischen Welt herangezogen worden, eine Argumentation, die auch heute im Zuge des US-Krieges gegen den Irak verwendet werde. Ebenso ging sie auf die systematischen Versuche der Besatzer zur Auslöschung der Kultur, Identität und Geschichte kolonisierter Völker ein, welche sie anhand der Ausführungen des tunesischen antikolonialen Autors Albert Memmi erläuterte. Abschließend sprach sie von den gesellschaftlichen Unterschieden Frankreichs im Umgang mit den in Algerien begangenen Folterungen und den Umgang mit den Folterungen im Irak heute. Während es in Frankreich eine breite Bewegung gegeben habe, welche sich gegen die unmenschlichen Folterungen einsetzte, sei die Kritik, Betroffenheit und Empörung über die an den Irakern begangenen Folterungen recht leise. Deshalb habe sie das Beispiel Algeriens erwähnt, weil es zeige, dass die Algerier in ihrem Kampf um Freiheit erfolgreich waren und zweitens weil es zeige, dass sich die Menschen Frankreichs mit dem Leid und dem Kampf der Algerier solidarisiert hätten.
Im Anschluss an die Vorträge gab es noch eine Publikumsdiskussion, bei der die Fragen zum Tribunal in Istanbul und dessen völkerrechtlichen Implikationen, sowie die theoretischen Auswirkungen einer Verurteilung Rumsfelds wegen Völkermordes vor den deutschen Gerichten von den jeweiligen Referenten erörtert wurden.Abschließend gab es ein Buffet, bei dem die ZuhörerInnen noch Gelegenheit hatten in Einzelgesprächen mit den ReferentInnen zu sprechen. |